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Rezension zu Tron Legacy – Neo(n) Now

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Hurra, der größte Nerdfilm aller Zeiten bekommt also seine Fortsetzung und macht damit alle beleibten Famlienväter ab 30 und Singles -  ohne Partner, aber mit einer beeindruckenden Videospielsammlung -  glücklich. Seien wir ganz ehrlich, Tron war schon immer ein Jungsfilm und wird wohl nur in Verbindung eines Wii Steuerung größeren Erfolg oder Akzeptanz beim weiblichen Geschlecht finden. Ein paar Kids, die in ein  Betriebssystem gelangen und in einer virtuellen Welt überleben müssen ist sicherlich die gelungene Einstimmung auf Doctors Diary und so sieht man Donnerstag abend im nicht sonderlich vollen Kinosaal auch eher den Informatikstudenten oder Väter, die ihren Söhnen den Film zeigen wollen, den Mutti nie gesehen hat oder schon immer blöd fand.  Ich muss gestehen  daß auch ich mich tatsächlich auf diesen Film wie ein kleiner Junge gefreut habe und wenn dann noch ehemalige Helden wie Daft Punk für den Soundtrack verantwortlich sind kann ja alles nur gut gehen, oder…?

1982

Ich kann eigentlich noch immer genau sagen, was ich beim ersten Mal gedacht habe, als ich Tron in den frühen 90ern im Fernsehen sah…nämlich gar nichts. Ich habe weder die Story, sollte es jemals eine gegeben haben, verstanden noch war mir die Tragweite des Kultpotentials bewusst. Trotzdem stand ich mit offenen Mund vor dem TV und war vollkommen berauscht von dieser merkwürdigen Neon-Welt, die so komplett anders aussah als alles was ich bis dahin kannte. So wenig der Film dramaturgisch hermachte, so wegweisend war die die Optik, die eine  Mischung aus Metropolis, Comic, Kraftwerk und 80er-Avantgarde darstellte. Hauptdarsteller Jeff Bridges war mir bis dahin auch kein Begriff, aber die Rolle als großmäuliger, aber nicht unsympathischer Kevin Flynn nahm ich ihm jederzeit ab,  gab sie doch dem Film in seinem strengen Futurismus eine menschliche Komponente und Identitfikationsfigur. Doch auch Bridges konnte nicht verhindern, daß der Film an Kinokassen ordentlich floppte und einem Kinobesucher im Jahre 1982, der gerade erst einen Atari oder  dem neuen C64 Klötzchengrafik bewundern konnte, nicht wirklich fassbar und komplett wirr vorkam.

Ein Außerirdischer Gnom  mit ausgeprägtem Heimweh dürfte zwar auch nicht näher am Alltag vieler Leute gewesen sein, aber unter  der Dominanz von Spielbergs empathischen Erfolgsfilm E.T. sahen in diesem bedeutenden Kinojahr gleich zwei visionäre Filme, eben Tron und der Blade Runner, kein Land und mussten sich noch Jahrzente später damit begnügen als Inspiration für viele Filme, unter anderem Matrix, zu gelten, aber nie wirklich ein Kino-Erfolg gewesen zu sein. Wahrscheinlich war die damalige politische Situation auch ein Grund dafür, daß sich die Leute nach Spielbergs märchenhaftem Eskapismus sehnten, als zwei düster bedrohliche Visionen einer sich beide mit dem Thema Existenz befassten, der andere in einem seichten Disney Kontext, der andere philosophisch und mit einem gewissen Kunst-Anspruch.

1983

Das Spiel “Discs of Tron” erscheint und kann hier gespielt werden.Viel Spaß bei einem Spiel, das Tron auf den ödesten Teil reduziert und einem einen klassischen Midi Sound um die Ohren haut.

26. Juli 1989

Die Handlung von Tron Legacy beginnt im Jahr 1989 und zeigt einen CGI verjüngten Jeff Brides aka Kevin Flynn im Dialog mit seinem Sohn Sam. Während des Gesprächs sieht man immer wieder Poster des Originalfilms, was schon mal einer von vielen logischen Ungereimtheiten des Films sein dürfte und auch das wenige subtile Spiel mit Selbstzitaten wird im weiteren Verlauf fortgesetzt. Kevin verabschiedet sich nach einer Gute Nacht Geschichte von seinem Sohn und fährt noch einmal auf einem Motorrad zu seiner Firma Encom, die er im Film 1982 erst sabortierte und später deren Präsident wurde. Doch er kommt nicht zurück und Flynns bester Freund Alan Bradley, ebenfalls ein bekanntes Gesicht aus dem ersten Teil, übernimmt die Geschäfte des Konzerns, die er aber 1990 an Kurt Haddington übergeben muss.

2010

Tron hat es nun ins 21 Jahrhundert geschafft und wir leben immer noch nicht auf dem Mars, dafür aber im Zeitalter des 3 D Hypes, egal ob es sich um Fernseher, Kino oder Spielkonsolen handelt. Während Theaterbesucher kopfschüttelnd ihr weises Haupt schütteln und diese Kunstform als die einzig wahrhaftige und alle Zeiten überstehende ausrufen, selbiges gilt übrigens für Operngänger, sind andere schon so berauscht, daß sie gleich für jeden noch so drittklassigen Zeichentrickfilm gerne 3 Euro mehr zahlen und auf einen Kinopreis kommen, für den man in dem ein oder anderen Discounter einen Einkaufswagen voller DVDs bekommt. Keine Ahnung ob Sohnemann Max unter Geldsorgen leidet, aber wie sein Vater fährt er ein Motorrad, öffnet in alter Familientraditon eine verdammt große Sicherheitstür auf einem beeindruckend ungesicherten Werksgelände und schafft es per Hack die Software-Präsentation eines neues Encom Betriebssystem lächerlich zu machen, um anschließend von einem Hochhaus per Fallschirm zu springen. Das ganze übrigens noch in 2 D, aus “stilistischen Gründen” worauf am Anfang des Films hingewiesen wird. Erst als Sam später die  verstaubte Videospielhalle seines Vaters betritt und mittels eines Teleporterstrahl in der virtuellen Welt landet, bewegen wir uns mit dem Protagonisten in der dritten Dimension und einer Welt, die jedem Kenner des Orginalfilms bekannt vorkommen müsste und neue Zuschauer erstmal ratlos zurück lässt. Auch wenn Retro-Chic momentan wieder angesagt ist, dürfte einem die streng konstruktivistische Welt erstmal fremd und steril vorkommen, das putzige 1 Bit Programm, was nicht mehr als “Ja” oder “Nein” sagen konnte ist verschwunden und überhaupt hat die ganze Welt dank Flynn in Zusammenarbeit mit seinem Clone Clue ein Update erfahren, von der man aber die ganze Zeit relativ wenig bis gar nichts zu sehen bekommt.

Überhaupt wirkt der Film wie eine Auftragsarbeit eines Regisseurs, der vorher nie was von dem Film gehört hat und gelangweilt den Gartenzaun von seinem Opa restauriert. Joseph Kosinski, der als einzige Bewerbung für den Film ein paar Werbeclips für Videogames hat, gelingt nichtmal die Skizze einer Story und begnügt sich weitestegehend damit einfach ein nostalgisches und voller Selbstzitate angehauchtes Remake runterzuspulen und erst in den Action-Szenen wieder auf Touren zu kommen. Bis es aber im Finale überhaupt dazu kommt, muss man erstmal  Jeff Bridges in einer Mischung aus Obi Wan und dem Dude aus Big Lewbowksi bewundern, der quasi jeden zweiten Satz mit “man!” beendet und Superkräfte hat, die er aber kaum einszusetzen gedenkt und stattdessen lieber in einem Exil meditiert. Genau so gut könnte er auch in einer Kanalisation oder sonstwo leben. Irgendwie wirkt vieles in dem Film komplett irrelevant und nicht wichtig für den Verlauf der “Geschichte”, die so züchtig  eine Liebelei  zwischen Sam und der schönen Quorra erzählt, daß selbst neuere Zeichentrickfilme aus dem Hause Disney pornographisch wirken. Ganz abgesehen davon das sie doch überdeutlich an Matrix erinnert.

Einen kleiner Höhepunkt, der einem immerhin länger im Gedächtnis bleiben wird, ist allerdings eine kultige Disco-Szene, in der Daft Punk ein Partypublikum beschallen und immerhin “Frost” Darsteller Martin Sheen sowas wie Emotionen erahnen lässt und ein kleines bischen Anarchie in die Rasterlogik von Tron Legacy bringt. Das Finale ist leider auch sehr vorhersehbar und die Schlusszene wiederum stark bei Blade Runner inspiriert. So macht auch Tron Legacy alles falsch, was schon im Original daneben ging, bietet dafür aber auch wieder stylishe Neon-Optik, die bisher kein anderer Film so konsequent umsetzen konnte.


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